Begrenzung der Steuerbelastung auf Landesniveau

FDP, Grüne und SPD stellen sich gegen exorbitante Erhöhung der Hebesätze –
Verwaltung zur Nachbesserung des Nachtragshaushalts aufgefordert

Wehrheim. Durch den Einbruch bei der Gewerbesteuer steht die Gemeinde Wehrheim vor einer Herkulesaufgabe: Die notwendig gewordenen Steuerrückzahlungen in Millionenhöhe haben ein riesiges Loch in den Gemeindehaushalt gerissen. Damit steht die Gemeinde vor einer schmerzhaften Haushaltskonsolidierung um handlungsfähig zu bleiben.

Neben der unausweichlichen Inanspruchnahme von Kassenkrediten sah der Entwurf der Gemeindeverwaltung für einen Nachtragshaushalt 2021 auch eine rückwirkend zum 01.01.2021 gültige Anhebung von Steuerhebesätzen vor (Grundsteuer und Gewerbesteuer). Dabei sollte die Grundsteuer B (überbaute Grundstücke) von 350 Prozentpunkten auf 615 steigen. Dies würde einer prozentualen Steigerung von fast 90 Prozent entsprechen. Zugleich würde Wehrheim damit nur noch „besser“ dastehen als Oberursel (740), Neu-Anspach (678), Schmitten (660) und Steinbach (650). Bei der Gewerbesteuer schlug die Verwaltung die Anhebung von 357 (entspricht dem Nivellierungssatz in Hessen) auf 388 vor.

In der Sitzung der Gemeindevertretung am 25.06.2021 haben Bündnis 90/Die Grünen, FDP und SPD und mehrheitlich gegen das Votum der CDU diesen Plänen eine klare Absage erteilt. Denn: Die steuerliche Höherbelastung für die Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen muss im Rahmen bleiben! Die Hebesätze sollen das Landesniveau keinesfalls übersteigen. Die Konsolidierung der Gemeindefinanzen darf nicht nur über Steuererhöhungen, sondern muss auch über Gebührenanpassungen und klare Einsparungsmaßnahmen im Gemeindehaushalt erfolgen. Auch dazu haben FDP, Grüne und SPD mehrere konkrete Maßnahmen ausgearbeitet.

Mit den Stimmen von Grünen, FDP und SPD wurde der von der Verwaltung eingebrachte Entwurf des Nachtragshaushalts 2021 schließlich zur Überarbeitung zurück an Gemeindevorstand verwiesen. Die von der Verwaltung vorgesehene Anhebung der Steuerhebesätze wurde mit den Stimmen von Grünen, FDP, SPD begrenzt auf die Landesdurchschnittssätze (420, Grundsteuer A; 479 Grundsteuer B; 388 Gewerbesteuer).

„Gerade in dieser schwierigen Zeit im Zeichen der Pandemie können wir die Wehrheimer Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen, nicht über die Maßen hinaus belasten!“, hatte FDP-Fraktionsvorsitzender Klaus Schumann bereits im Rahmen der Haushaltsberatungen betont. Liberale, SPD und Grüne beklagten in der Sitzung der Gemeindevertretung auch, dass es die Verwaltung versäumt habe, Widerspruch gegen die geforderte Gewerbesteuerrückzahlung von mehreren Millionen Euro einzulegen. In seiner Haushaltsrede in der Sitzung der Gemeindevertretung monierte Schumann ferner, dass es nicht angehen könne, dass die Bürgerinnen und Bürger nun im Grunde alleine für die Gewerbesteuerausfälle aufkommen sollen und der Bürgermeister nur wenige Sparanstrengungen seitens der Verwaltung vorlege, die dann auch noch „eingesparte“ Ausgaben wie etwa Festivitäten seien, die durch die Corona-Pandemie ohnehin nicht stattfinden könnten und somit Gelder seien, die ohnehin nicht verausgabt würden.

Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Ulrike Schmidt-Fleischer stellt fest: „Wir dürfen auch die Gemeindeverwaltung selbst nicht von den Sparbemühungen ausnehmen, so dass auch hier besonders bei den Personal-, Sach- und Dienstleistungen gespart werden kann. Es ist nur fair, die Bürgerinnen und Bürger nicht allein zu belasten.“

Dass die Gemeinde jenseits von Steuern und Abgaben zwingend neue Einnahmenquellen benötigt, um den Wehrheimer Etat wieder ins Lot zu bekommen, ist offensichtlich. Eine Kernforderung der Liberalen, eine aktive Wirtschaftsförderungs- und Ansiedlungspolitik muss dabei dringlichst umgesetzt werden. Im Jahr 2018 hatte ein FDP-Antrag zur Erstellung eines Wirtschaftsförderungskonzepts in der Gemeindevertretung gestellt und dafür breite Zustimmung erhalten. Davon umgesetzt hat die Verwaltung bis heute nichts, wie die Freien Demokraten weiterhin kritisieren. „Im kommenden Jahr startet die Novellierung des Regionalen Flächennutzungsplans. Wir können es uns nicht leisten, dabei Zeit zu verlieren. Nur von den Kommunen angemeldete und letztlich vom Regionalverband bewilligte Flächen werden in die Änderung aufgenommen. Ohne die Schaffung von Potenzial- und Reserveflächen für Gewerbe und Wohnen wird Wehrheim nahezu jeglicher Handlungsspielraum fehlen. Wir müssen unsere Steuererträge unbedingt auf wesentlich breitere Schultern verteilen, um bei extremen Steuerschwankungen, wie zuletzt der Fall, nicht mit voller Wucht getroffen zu werden“, erklärt FDP-Gemeindevertreter Andreas Bloching, Mitglied des Bau- und Verkehrsausschuss.

Einen Appell an alle Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter, sich gemeinschaftlich und konstruktiv mit der enormen Herausforderung der Haushaltskonsolidierung zu befassen, richtete FDP-Fraktionsmitglied Ingmar Rega am Ende der Sitzung der Gemeindevertretung (25.06.2021) an alle Mandatsträgerinnen und Mandatsträger. Denn nur gemeinsam lässt sich diese schwierige Haushaltssituation der Gemeinde bewältigen.

Mit der Einführung einer Nachhaltigkeitssatzung soll zudem eine faire und vor allem nachhaltige Haushaltsführung in Wehrheim realisiert werden, kündigten Grüne, SPD und FDP an.

Eine erste kurze Rede als Neuling in der Gemeindevertretung hielt FDP-Fraktionsmitglied Nora Schumann im Rahmen der Thematik Schülerbetreuung und die schmerzhafte Gebührenanpassung („Wir dürfen uns nicht einer Sache versperren, nur weil uns der Weg dahin nicht passt“) und erntete für ihren Premieren-Auftritt Applaus und Anerkennung.

Die komplette Haushaltsrede des FDP-Fraktionsvorsitzenden Klaus Schumann gibt es hier: