Müller: „Deutschland muss sich besser schützen“
Verteidigungspolitischer Sprecher mit klaren Worten
Wehrheim/Usingen. Die Kernkompetenz von Ortsverbänden ist die politische Basis-Arbeit in den kommunalen Gremien. Aber auch der Blick auf überregionale politische Themen zählt zu den Angeboten, die die FDP Wehrheim immer wieder präsentiert. Zuletzt mit bildungspolitischen Fragen oder dem Blick auf die Entwicklung der Umwelt-, Forst- und Landwirtschaft. Jetzt drehte sich alles um eine zentrale Frage geopolitischer Ordnung. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und dessen Auswirkungen auf Europa. Wenige Wochen vor den Europa-Wahlen am 9. Juni hatten die FDP-Ortsverbände Wehrheim und Usingen wieder zu einer gemeinsamen Informations- und Diskussionsabend eingeladen.
Gefragter Referent in der Usinger Hugenottenkirche war der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Alexander Müller. Der Oberstleutnant der Reserve ist Experte für militärische Fragen, sprach über aktuelle Entwicklungen im Ukraine-Krieg, gab Einschätzungen zur Lage und möglichen Szenarien und stand stand dem interessierten Publikum gerne Rede und Antwort. Die Ortsvorsitzenden Dr. Bernd Büchner (Usingen) und Andreas Bloching (Wehrheim) begrüßten, der Europabeauftragte der FDP Usingen, Dr. Jürgen Weise, moderierte und führte in den Abend ein. Der Europabeauftragte der FDP Wehrheim, Jakob Junghans, fehlte prüfungsbedingt und übermittelte Grüße.
Gleich zu Beginn machte Müller unmissverständlich klar: Die „Illusion vom Verhandeln mit Putin“, sei reines Wunschdenken jener, die glaubten den Ukraine-Krieg mal so einfach am Verhandlungstisch beenden zu können. Wie lange der Krieg noch dauern werde, sei nicht vorherzusagen. Müller: „Von wegen, es wird zu wenig mit Diplomatie versucht. Putin redet mit keinem. Der will seinen Krieg gewinnen, nichts anderes.“ Einzig, wenn man der Ukraine die Möglichkeit gebe, mit Putin auf „Augenhöhe“ zu verhandeln, sei gegenwärtig an einen Frieden zu denken. Dazu bedürfe es einer wehrhaften ukrainischen Streitmacht, weshalb die Waffenlieferung aus Europa und auch seitens der USA so bedeutsam seien. Auch die USA, so Müller, hätten das erkannt. „Der Westen muss weiter liefern!“ Aus Deutschland etwa Patriot-Flugabwehr. Müller: „Die ist eminent wichtig.“
Müller machte auch aufmerksam auf die „Kriegsverbrechen Russlands“ gegenüber der Ukraine, die es reihenweise gebe. „Russland greift keineswegs nur militärische Anlagen an.“ Und Müller warnte weiter. Putin, der wieder ein sowjetisches Reich wolle, sei brandgefährlich für Gesamteuropa. „Auch Ostdeutschland Stand bekanntlich lange unter sowjetischem Einfluss.“ Da müssten alleine bei jedem Menschen in den neuen Bundesländern die Alarmglocken schrillen. Nur ein wehrhaftes Europa könne Putin die Stirn bieten. Auch deshalb setze sich die FDP weiter dafür ein, der Ukraine Waffen zur Verteidigung zu liefern. „Die Ukraine braucht sie auch, um logistische Linien zu brechen und Russland massiv zu attackieren.“
Zugleich betonte Müller auch, dass die Waffenlieferungen alleine kein „Game-Changer“ sein werden. Aber sie verhinderten, das Einverleiben der Ukraine durch den Aggressor.
Der russische Krieg gegen die Ukraine mache auch deutlich, wie wichtig es ist die militärische Streitkraft Deutschlands und Europa zu stärken. Müller: „Deutschland muss sich besser schützen.“ Aktuell verfüge Deutschland über etwa 180.000 Soldaten, die Bundeswehr habe über 30.000 offene Stellen. Diese zu besetzen funktioniere aber nur, wenn sich mehr Soldatinnen und Soldaten verpflichteten. Auch müsse Artikel 12a des Grundgesetzes geändert werden, um Geschlechterneutralität herzustellen. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht lehne die FDP ab. Müller: „Wir als FDP wollen keine Wehr- und Dienstpflicht, es muss andere Optionen geben. Es muss über mehr Motivation und zusätzliche Anreizen gehen.“
Wie Müller ausführte müsse auch die Beschaffung von Munition und Ersatzteilen durch Eigenproduktion in Deutschland forciert werden. Deutschland benötige vor allem Munition für die Artillerie. Südafrika sei hier einer der großen Produzenten, doch die lieferten nur, wenn diese Munition nicht durch die Ukraine zum Einsatz komme, weil Südafrika russisches Öl beziehe. Müller forderte Maßnahmen in der deutschen Rüstungspolitik, etwa durch Steigerungen bei der Produktion in deutschen Betrieben. Die aber gehe nur, wenn diese ihre Kapazitäten erhöhten, wozu es auch mehr bauliche Veränderungen bedürfe. „Das Baurecht muss dazu vereinfacht werden.“ Und: Eine verpflichtende Abnahme seitens des Bundes an die Rüstungs-Unternehmen in Deutschland, wenn diese im Gegenzug ihre Kapazitäten steigerten.
Im Anschluss an den Vortrag Müllers wurden intensiv Gedanken und Einschätzungen ausgetauscht, mit einen Schlenker zur allgemeinen Wirtschaftspolitik Deutschlands. Es sei der falsche Weg Firmen in Deutschland Geld zu geben, damit sie hier ein Produktionswerk bauten. Mehr Schulden machen, um so etwas zu bezahlen, sei fantasielos, so Müller. Der Bundestagsabgeordnete weiter: „Machen wir Deutschland endlich besser mit niedrigen Steuern und einem ÖPNV, der auch fährt. Dann würden Firmen von sich aus sagen, dass Deutschland ein attraktiver Standort ist und sie hier aus Eigeninteresse investieren.