Reform der Grundsteuer: Es wird Gewinner und Verlierer geben

Wehrheim. Was ist die Grundsteuer-Reform? Muss ich mit höheren finanziellen Belastungen durch die Reform rechnen? Wie und wann ist die Erklärung abzugeben? Was muss ich tun, wenn ich keine Möglichkeit habe, die Meldung online zu tätigen? Die anstehende Grundsteuer-Reform wirft viele Fragen auf! Anlass für uns Liberale, den Bürgerinnen und Bürgern ein Informationsangebot zu schaffen. Auf Einladung der FDP Wehrheim referierte mit Jochen Kilp vom Bund der Steuerzahler Hessen ein ausgewiesener Experte zum Thema und lieferte Antworten.

Mit 66 Plätzen (mehr Personen durften aufgrund der Corona-Bestimmungen nicht ins Bürgerhaus Wehrheim) war der Informations- und Vortragsabend „Die Reform der Grundsteuer – Was jetzt auf Sie zukommt!“ am Dienstag, 29. März 2022, ausgebucht. Das Interesse war groß, nicht nur in Wehrheim, auch aus umliegenden Kommunen hatten sich Bürgerinnen und Bürger angemeldet.

Die Grundsteuer-Reform

Hintergrund der Grundsteuer-Reform ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018. Dies hat die bisherige Ermittlung der Grundsteuer-Einheitswerte auf Basis Hauptfeststellungszeitpunkt des Jahres 1964 als verfassungswidrig erklärt. Das Gericht forderte eine Neuregelung bis zum 31.12.2019 – sonst dürfe keine Grundsteuer mehr erhoben werden. Darauf reagierten Bund und Länder mit ihrer Grundsteuer-Reform. Für die Anwendung der bisherigen Werte gilt noch eine Übergangsfrist von bis fünf Jahre nach dem Urteil, längstens bis zum 31.12.2024.

In seinem Vortrag erläuterte Kilp die bisherige und künftige Berechnungsgrundlage, die in den einzelnen Bundesländern fortan unterschiedlich sein wird. Bislang wird die Grundsteuer aus dem Grundsteuermessbetrag (dieser wird von den Finanzämtern aus dem so genannten Einheitswert und der Grundsteuermesszahl ermittelt), multipliziert mit dem Hebesatz (diesen legt die Kommune fest), berechnet.

In der Reform sieht das so genannte Bundesmodell die Beibehaltung dieses Verfahrens vor, allerdings hat alle sieben Jahre eine Neubewertung zu erfolgen. Das Bundesmodell findet in 9 von 16 Bundesländern Anwendung. Vielen Ländern geht das Modell nicht weit genug. Deshalb hat der Bund den Ländern durch eine Öffnungsklausel im Bundesmodell ermöglicht, teilweise eigene Wege bei der Reform zu beschreiten. Davon hat Hessen Gebrauch gemacht und ein eigenes Modell geschaffen, das so genannte Flächen-Faktor-Modell.

Das hessische Flächen-Faktor-Modell geht nicht mehr nach dem Ertragswertverfahren vor (theoretisch zu erzielende Mieteinnahmen). Entscheidend sind nur die Größe und Lage des Grundbesitzes. Die Größe setzt sich zusammen aus der Fläche des Grundstücks sowie der Wohn- und Nutzfläche. Die Lage wird bemessen anhand des Bodenrichtwertes des Grundbesitzes im Verhältnis zum durchschnittlichen Bodenrichtwert in einer Kommune. Das Land Hessen sieht vor allem zwei Einflussfaktoren zur Berechnung des Einheitswertes: Je größer der Grundbesitz, desto mehr Grundsteuer B fällt an. Je höher der Bodenrichtwert im Verhältnis zum Durchschnitt einer Gemeinde, desto mehr Grundsteuer B ist zu zahlen. Keinen Einfluss hat bei der Bewertung, ob die Bodenrichtwerte in einer Gemeinde im Verhältnis zu anderen Gemeinden hoch oder niedrig sind.

Was ist die Grundsteuer C?

Im Zuge der Grundsteuer-Reform wird den Kommunen die Einführung der Grundsteuer C ermöglicht. Diese bezieht sich auf bebaubare Grundstücke, für die ein Bebauungsplan existiert, aber bislang nicht bebaut sind. Die Neuregelung sieht vor, dass Kommunen solche baureifen Grundstücke mit einer höheren Grundsteuer belegen können als die der Grundsteuer B. Da Wohnraum knapp ist, gerade in Ballungszentren, drängen die Kommunen auf die Bebauung solcher Grundstücke.

Dieser Entwicklung, so Kilp, stehe der Bund der Steuerzahler Hessen kritisch gegenüber. Eine neue Steuer löse das Problem nicht, sondern verschärfe es sogar. So seinen die Gründe, warum ein Grundstück nicht bebaut ist, doch vielfältiger Art und nannte Beispiele. Etwa der kleine, mittelständische Betrieb, der sich bewusst ein Grundstück gesichert habe, um später handlungsfähig zu sein, wenn er wachsen muss, jetzt aber noch keine Notwendigkeit für eine Bebauung hat. Auch die junge Familie, die ein Grundstück besitze, aber noch dabei sei, ausreichend Eigenkapital für die Bebauung anzusparen, werde durch eine Grundsteuer C möglicherweise derart belastet, dass sie sich das Bauen nicht mehr leisten könne. Nicht zuletzt gebe es auch Fälle, in denen man ein Grundstück für die eigenen Kinder aufhebe.

Spekulanten, die durch die Grundsteuer C abgeschreckt werden sollen, sieht der Bund der Steuerzahler Hessen dadurch nicht „vertrieben“. Diese würden gezahlte höhere Steuerbelastung einfach beim Verkauf auf den Preis draufschlagen und das Bauen damit noch teurer machen.

Die wohl brennendste Frage des Abends beantwortete der Experte auch: „Was muss ich als Eigentümer/in nun tun und muss ich damit rechnen, dass ich durch die Reform künftig mehr Grundsteuer zu bezahlen habe?“

Jochen Kilp: „Es wird Verlierer und Gewinner im Zuge der Reform geben, je nach Lage der Immobilie. Aber es ist der politische Wille, dass die Reform unter dem Strich aufkommensneutral sein soll.“ Die Kommunen sollen nach der Neubewertung der Grundbesitze die Hebesätze so anpassen, dass sie durch die Umstellung nicht mehr und nicht weniger Grundsteuer B einnehmen werden als bislang. Das Land Hessen wird diesen aufkommensneutralen Hebesatz für jede Kommune berechnen und veröffentlichen. Die Kommunen sind aber nicht daran gebunden, sie können frei über die Höhe ihrer Hebesätze befinden.

Zur Abgabe der Erklärung zum Grundsteuermessbetrag ist jeder Eigentümer verpflichtet. Dafür steht der Zeitraum vom 01.07.2022 bis 31.10.2022 zur Verfügung.

Zu den notwendigen Angaben gehören:
• Abgabe der Erklärung zum Grundsteuermessbetrag
• Aktenzeichen
• Lagefinanzamt
• Lages des Grundstücks (Adresse)
• Eigentümerinnen und Eigentümer
• Angaben zu Grund und Boden (Gemarkung, Flurstück, Größe des Grundstücks, Grundbuchblattnummer)
• Wohnfläche der Gebäude
• Nutzungsfläche von Gebäuden
• Keine Einzelaufforderung, öffentliche Bekanntmachung im 2. Quartal jeder Eigentümer wird angeschrieben
• „Erklärungen sind elektronisch zu übermitteln“
• ELSTER-Benutzerkonto – elster.de
• „in Härtefällen“ – Vordrucke beim zuständigen Finanzamt (kein PC, Laptop, mobiles Endgerät)

FDP-Ortsvorsitzender Andreas Bloching und Fraktionschef Klaus Schumann bedankten sich bei allen Interessierten und den Beteiligten an der Realisierung der Veranstaltung unter Corona-Bedingungen. „Der Abend hat gezeigt, dass es einen hohen Informationsbedarf zum Thema Grundsteuer-Reform gibt. Es gibt so viele Verständnisfragen, die es zu klären gilt. Jochen Kilp hat mit seinem Vortrag reichlich Licht ins Dunkel gebracht, er hat uns umfassende Hintergrundinformationen geliefert und viele wertwolle Tipps gegeben.“

Die FDP Wehrheim empfiehlt Bürgerinnen und Bürgern sich bei offenen Fragen Hilfe zu holen. Diese könne man beispielsweise beim Bund der Steuerzahler finden oder auch beim eigenen Steuerberater.

Bund der Steuerzahler