FDP standhaft: Nein zu Windkraft im Wehrheimer Wald

FDP beklagt: „Probleme werden einfach ausgeblendet“

Liberale standhaft – Zu viele Fragezeichen für Windkraft auf dem Winterstein
 
Wehrheim. Kein Blanko-Scheck für den Abschluss eines vollkommen offenen Pachtvertrags: Die FDP-Fraktion hat sich in der Sitzung der Gemeindevertretung am 7. Juli 2023 gegen den Abschluss eines Gestattungsvertrags mit der Firma ABO Wind AG und damit einmal mehr gegen die Errichtung von Windenergieanlagen im Wehrheimer Wald ausgesprochen.
Die Vorlage wurde jedoch bei zwei Enthaltungen und mit den Stimmen von CDU, Grünen und SPD beschlossen.

Die Vorlage des Gemeindevorstands sieht vor, dass dem Unternehmen die gemeindlichen Grundstücke im so genannten Windenergievorranggebiet Winterstein zur Nutzung zugeführt werden sollen. Nicht nur die Tatsache, dass die Freien Demokraten – wie schon in den vergangenen Jahren – die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen auf dem Winterstein kritisch sehen, auch der Umstand, dass die Vorlage zu viele Fragen offen und ungeklärt lässt, führt zur Ablehnung durch die Freien Demokraten.

Darum geht es: Auf der so genannten Windvorrangfläche Winterstein sollen bis zu 16 Windenergieanlagen errichtet werden, verteilt auf Flächen des Staatsforstes, von Hessen Forst sowie der Städte Rosbach und Friedberg sowie der Gemeinden Ober-Mörlen und Wehrheim. Dabei völlig offen sind die endgültige Anzahl der Anlagen und deren genauen Standorte. Zudem ist ein undurchsichtiger Bieterwettbewerb entfacht, mit zum Teil völlig unterschiedlichen Angebots-Summen für die Flächenpacht. Über eines dieser Angebote hatte das Wehrheimer Parlament in seiner Sitzung am 7. Juli abzustimmen.

„Der Vorwand der Befürworter für den Bau von Windenergieanlagen auf dem Winterstein basiert auf dem großen Trugschlussargument, damit einen gewichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, führten die Liberalen in ihren Beiträgen zur Debatte im Parlament aus. Zur Ehrlichkeit gehöre die Gesamtbetrachtung, und da sei die Windkraft alles andere als klimaneutral, wie Klaus Schumann (FDP-Fraktionsvorsitzender) und Ingmar Rega (FDP-Fraktionsmitglied und Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft und Forst, ULFA) in ihren Redebeiträgen ausführten. Die Stromerzeugung durch Windkraft werde von ihren uneingeschränkten Befürwortern geradezu glorifiziert, so die Liberalen.

„Die Probleme dabei werden völlig ausgeblendet. Schädliche Nebenwirkungen werden ignoriert, wie die niedrigfrequente Geräuschbelastung der Anwohner oder die tödliche Gefahr der Rotoren für Insekten und Vögel“, betonte Rega. „Auch viele Menschen, die in der Nähe von Windenergieanlagen wohnen, berichten – lange belächelt von Politik und Industrie – von Schlafstörungen und Nervosität. Zu Hunderttausenden zerschellen Fledermäuse und Zugvögel an den Rotorblättern. Nicht zu vergessen: Auch Windenergieanlagen verbrauchen Ressourcen, darunter seltene Erden, tonnenweise klimaschädlichen Beton und kostbare Waldflächen, deren Wiederaufforstung gerade in Taunus ohnehin unter erschwerten Bedingungen steht, wie wir gerade in der letzten Woche im ULFA von Experten gehört haben.“

Die Freien Demokraten weiter: Auch Windenergieanlagen belasten die Umwelt. Dies gilt sowohl für die Errichtung, den Betrieb und den späteren Rückbau und die Entsorgung von Windenergieanlagen. Insbesondere, wenn Anlagen im Wald geschaffen werden. Große Flächen Baumbestand müssen für den Transport der Anlagen gerodet werden und auch für Sicherheitswege weichen. „Ausgerechnet das stärkste Treibhausgas SF6, es ist mehr als 20.000 Mal so klimaschädlich wie CO2, spielt bei Windenergieanlagen eine wichtige Rolle. SF6 wird allerdings nicht während des Betriebs der Windenergieanlagen ausgestoßen, sondern dient während der gesamten Laufzeit als Isolatorgas in Schaltanlagen. Hier soll es vor allem Kurzschlüsse zwischen stromführenden Teilen verhindern. Nach der Laufzeit muss das Gas zwar umweltgerecht entsorgt oder wiederverwertet werden, kontrolliert wird dies aber praktisch nicht“, erläuterte Rega.

Auch das Thema Recycling nach Ende der Laufzeit ist in einem sehr entscheidenden Punkt ungeklärt, denn bislang gibt es keine Möglichkeit des Recyclings der Rotorblätter. In der neuesten Studie des Umweltbundesamtes vom 26. September 2022 kommt das Amt in dieser Frage zu dem ernüchternden Ergebnis, dass diese Verfahren sich erst im Forschungsstadium befinden. Einer der größten Hersteller von Windenergieanlagen, Vestas, rechnet damit, dass bis zum Jahr 2025 per anno bereits bis zu 25.000 Tonnen Rotor-Blätter als reiner Plastikmüll auf der Halde landen. Rega: „Und nach Berechnungen des Öko-Instituts Darmstadt werden es in den darauffolgenden Jahren bis zu 60.000 Tonnen pro Jahr sein, Tendenz steigend.“

Angebot ist nicht verpflichtend

Wie die Freien Demokraten weiter ausführten, dürfe die Gemeinde Wehrheim nicht blind der Verlockung des großen Geldes folgen, in Form von Versprechungen üppiger Pachtzahlungen, die Jahr für Jahr in den Gemeindehaushalt gespült werden. Dass zwischen dem wirtschaftlichen Gebot von ABOWind und der beiden konkurrierenden Anbieter ein eklatanter Unterschied von nahezu einhundert Prozent liegt, werfe Fragen auf. „In der freien Wirtschaft würden zu Recht Zweifel angemeldet, ob auf der einen Seite der Ausschreibungsumfang sachgerecht und gut beschrieben worden ist und auf der anderen Seite, ob das Angebot seriös und verbindlich ist“, konstatierte Schumann.

Völlig ausgeblendet werde bei jenen, die das Angebot von ABOWind gar als Glücksfall für die Gemeinde bezeichneten, dass sich der Anbieter keinesfalls zur Umsetzung einer festgelegten Anzahl an Windenergieanlagen auf Wehrheimer Grundbesitz verpflichtet. Denn: Nur auf Flächen, die der Gemeinde gehören, kann sie auch Pacht erzielen. Entstehen die Windräder etwa an anderer Stelle, dann geht die Gemeinde nahezu leer aus, es gibt allenfalls eine zu vernachlässigende Beteiligungszahlung, auf die dann auch noch Umlagen entfallen. Schumann: „Das Angebot von ABOWind spricht von 3 bis 4 Anlagen auf Wehrheimer Gebiet, aber alle Anlagen im Planentwurf stehen am Rande unserer Flächen und ABOWind gibt keine Zusage, wie viele Anlagen mindestens auf Wehrheimer Gebiet stehen werden. Geht die Gemeinde also im schlimmsten Fall leer aus?“ Ferner gehe ABOWind von einer Einspeisevergütung von 8,81 ct/kWh aus und garantiere ein Mindestentgelt in ähnlicher Höhe, unabhängig von Einspeisevergütung und Windhöffigkeit. Nur: Wer steht für diese Garantien ein, wenn der Windpark mit diesen Mindestpachten nicht profitabel ist?

Rega und Schumann machten klar, dass sich die FDP-Fraktion des Eindrucks nicht erwehren kann, dass das Angebot der ABOWind darauf ausgerichtet ist, den „schnellen Deal“ zu machen, also den Zuschlag zu bekommen und dann möglichst schnell wieder zu verkaufen.

Schumann richtete einen Appell an den Gemeindevorstand: „Wir Freien Demokraten sind keine grundsätzlichen Gegner von Windenergie. Wir glauben Windkraft hat ihren Platz in einem ausbalancierten Portfolio Erneuerbarer Energien, insbesondere in windhöffigen küstennahen Regionen und in herausgehobenen Lagen in dünn besiedelten Gebieten, aber nicht im Wald auf dem Winterstein. Leider sind diejenigen, die unsere Heimat nicht der Windindustrie opfern wollen, in diesem Gremium wahrscheinlich in der Minderheit. Und so können wir dem verantwortlichen Gemeindevorstand nur zurufen: Schaut wenigstens, dass ihr Verbindlichkeit in den Nutzen für Wehrheim bekommt: sowohl auf der finanziellen Seite als auch bei der Platzierung von Windrädern und der Ausgleichsmaßnahmen! Bemüht euch, dass die Wehrheimer Bürgerinnen und Bürger nicht die Verlierer des Windparks Winterstein sind!